Fehler, die neue Doulas machen
- Shanay
- 25. Juni
- 6 Min. Lesezeit
Im Jahr 2015, frisch aus meiner klassischen Doula-Ausbildung, konnte ich es kaum erwarten, Familien zu begleiten. Ich war voller Leidenschaft und Tatendrang – und hatte zum Glück viele schwangere Freundinnen um mich, was mir einen unerwarteten Vorsprung beim Start meiner Doula-Karriere verschaffte.
Damals hatte ich selbst noch keine Geburt in Deutschland erlebt – meine erste Tochter wurde in den USA geboren – also war ich zwar voller Enthusiasmus, andere zu unterstützen, gleichzeitig aber auch selbst dabei, mich in einem mir noch fremden Geburtssystem zurechtzufinden.

Erst in den Jahren 2019 und 2022, als meine beiden nächsten Töchter in Deutschland zur Welt kamen, habe ich das System wirklich von innen heraus erlebt. Ich war überzeugt davon, die Welt Geburt für Geburt verändern zu können.
Natürlich habe ich – wie viele neue Doulas – auch einige große, demütigende Fehler gemacht. In diesem Beitrag teile ich daher typische Fehler, die viele neue Doulas machen – und wie du sie vermeiden kannst, wenn du dich auf diesen schönen, aber auch komplexen Weg begibst.
Wenn ich heute auf meine Anfangszeit zurückblicke, kann ich über viele dieser Fehltritte lachen (und manchmal auch den Kopf schütteln). Diese Fehler haben mich nicht zu einer schlechten Doula gemacht – sie haben mich wachsen lassen. Wenn du gerade erst beginnst, hoffen wir, dass dir diese Liste etwas Stress erspart und dir hilft, deine Praxis mit mehr Klarheit und Selbstvertrauen aufzubauen. Hier sind typische Fehler, die viele neue Doulas machen – und wie du sie vermeiden kannst, während du in deine Rolle hineinwächst.
Tipp #1 – Die eigenen Leistungen unterschätzen
Zu wenig verlangen oder zu viel kostenlos anbieten – aus Impostor-Syndrom oder aus Angst, potenzielle Klientinnen abzuschrecken.Warum das wichtig ist: Es entwertet die Arbeit, führt zu Erschöpfung und zieht Klientinnen an, die deine Grenzen vielleicht nicht respektieren.
So kannst du es vermeiden:
• Recherchiere die marktüblichen Preise in deiner Region
• Berechne deinen Zeitaufwand realistisch (Vorgespräche, Rufbereitschaft, Geburt, Wochenbett, Backup, Kinderbetreuung, Miete usw.)
• Übe, deine Preise selbstbewusst zu kommunizieren
Tipp #2 – Fehlende klare Grenzen
Auch nach 10 Jahren als Doula fällt mir das manchmal noch schwer – aber ich verspreche dir: Mit jeder neuen Begleitung wirst du besser darin. Viele großartige Ausbildungen vermitteln dieses Thema, aber letztlich musst du es selbst erleben. Oft merken wir erst im Nachhinein, wo unsere Grenzen liegen.
Zum Beispiel: rund um die Uhr erreichbar sein für nicht dringende Nachrichten, Anrufe oder emotionale Unterstützung – besonders während der Rufbereitschaft.
Warum das wichtig ist: Es schafft ungesunde Arbeitsbedingungen und verwischt die Grenze zwischen Unterstützung und Selbstaufgabe.
So kannst du es vermeiden:
• Lege Erwartungen zur Kommunikation schriftlich in deinem Vertrag fest
• Nutze Vorlagen oder automatische Antworten für Nachrichten außerhalb deiner Arbeitszeiten – z. B. am Wochenende nur erreichbar, wenn du tatsächlich auf Rufbereitschaft bist. Ich nutze dafür manchmal ein Zweithandy oder unterschiedliche Klingeltöne für verschiedene Klient*innen
• Plane deine Wochenbett-Check-ins bewusst und sorge dafür, dass du Zeit hast, wirklich zu antworten
Tipp #3 – „Heldin“ bei Geburten spielen wollen
Sich zu sehr einmischen oder versuchen, Situationen zu „retten“ – oft aus bester Absicht, aber dabei werden Grenzen überschritten. Das ist nicht deine Geburt. Wir müssen niemanden retten oder heilen.
Warum das wichtig ist: Doulas arbeiten nicht klinisch. Eingreifen kann das Verhältnis zu Ärztinnen oder Hebammen belasten – oder dich und deine Klientinnen sogar gefährden. Es beschädigt auch das Vertrauen in den Beruf der Doula und schwächt oft das Selbstvertrauen der Gebärenden.
Statt zu sprechen, frage lieber:
'Bist du damit einverstanden?“
'Lass uns eine Frage stellen – erinnerst du dich an BRAINS?“
'Möchtest du dazu mehr Informationen?'
So kannst du es vermeiden:
• Kenne deinen Aufgabenbereich: körperliche, emotionale und informative Unterstützung
• Übe eine Begleitung, die die Stimme der Gebärenden stärkt – nicht deine eigene
• Baue ein kooperatives Verhältnis zu Klinikpersonal auf
Tipp #4 – Fehlender klarer Vertrag
Eine Begleitung ohne schriftliche Vereinbarung beginnen – also ohne klare Infos zu Leistungen, Rückerstattungen, Absagen oder Vertretung – ist ein häufiger Anfängerfehler.
Diese Arbeit ist herzgeführt, viele kommen aus einer tiefen Berufung dazu. Aber sobald Geld fließt, ist es auch ein Geschäft. Die Kunst ist, Mitgefühl und Professionalität zu vereinen – die emotionale Tiefe dieser Arbeit zu achten und zugleich klare, respektvolle Grenzen zu setzen.
Warum das wichtig ist: Ohne Vertrag kann es zu Missverständnissen, unbezahlter Arbeit oder Grenzüberschreitungen durch Klient*innen kommen.
So kannst du es vermeiden:
• Nutze immer einen Vertrag – auch bei Freund*innen oder „Community“-Begleitungen, selbst bei Tauschgeschäften oder Energieausgleich
• Liste klar auf, was enthalten ist, welche Grenzen gelten, wie hoch die Kosten sind und wie du im Falle einer Vertretung vorgehst
Tipp #5 – Eigene Selbstfürsorge und Unterstützung vernachlässigen
Kein eigenes Support-System, zu viele Geburten hintereinander, keine Zeit für Pause oder Reflexion nach schwierigen Geburten – all das ist gefährlich.Ich war als neue Doula eine Zeit lang alleinerziehend – und habe viel gelernt.
Mitgefühlserschöpfung und Burnout sind reale Risiken in der Geburtsarbeit. Man sieht es oft beim Krankenhauspersonal – aber als Doula kannst du viel stärker beeinflussen, wie viele Begleitungen du annimmst.
So kannst du es vermeiden:
• Setze dir ein monatliches Limit (z. B. maximal 2–3 Geburten)
• Sprich nach schwierigen Geburten mit Kolleginnen oder Mentorinnen
• Habe eine zuverlässige Vertretung, sodass du dich bei Bedarf ausruhen kannst
• Entwickle ein Ritual oder eine Selbstfürsorge-Routine nach Geburten
Tipp #6 – Zu allem „Ja“ sagen
Am Anfang habe ich jedem potenziellen Klienten, der sich bei mir meldete, zugesagt. Ich war ehrlich begeistert, dass Menschen mich an ihrer Seite haben wollten – in einem so intimen, kraftvollen Moment. Was ich damals nicht gleich begriff: Ein Kennenlerngespräch ist keine einseitige Bewerbung – es ist ein Austausch auf Augenhöhe.
Es ist genauso wichtig, dass sich auch die Doula mit der Familie verbunden fühlt – nicht nur umgekehrt. Heute höre ich viel stärker auf mein Bauchgefühl, vor allem, wenn sich schon beim ersten Gespräch etwas nicht stimmig anfühlt. Und eine große Veränderung? Ich bestehe mittlerweile darauf, dass auch derdie Partnerin beim Erstgespräch dabei ist – so bekomme ich ein besseres Gefühl für die gesamte Dynamik, was allen Beteiligten mehr Sicherheit gibt.
Tipp #7– Die Doula-Arbeit wie ein Hobby behandeln, nicht wie ein Business
In meinen Anfangszeiten habe ich meine Doula-Arbeit nicht wie ein Unternehmen behandelt – vor allem, weil ich Angst hatte, dass ich davon nicht wirklich leben kann. Viele von uns behalten zu Beginn ja auch noch andere Jobs. Ich dachte, ich würde mir alle wichtigen Infos zu Geburten schon irgendwie merken – in meinem Kopf.Spoiler: Habe ich nicht. Als die Steuererklärung anstand, hatte ich keine Fahrtenbuchaufzeichnungen, keine klaren Ausgabenübersichten und erst recht kein System.
Heute bin ich deutlich organisierter – nicht nur finanziell, sondern auch, um meine Klientinnen besser zu unterstützen. Ich dokumentiere nach jedem Besuch und jeder Geburt die wichtigsten Notizen und halte alles aktuell, falls eine Backup-Doula einspringen muss. Die Unterstützung durch einen Business-Mentorin hat für mich alles verändert – und ich empfehle jeder neuen Doula, sich einen Mentor*in zu suchen oder zumindest eine gute Buchhaltungs-App zu nutzen!
„Niemand hat deine Geschichte, deine Stimme oder deine Präsenz. Du bringst allein durch dein Dasein etwas Einzigartiges in den Geburtsraum. Bleib neugierig, lerne weiter und vertraue darauf, dass Erfahrung mit der Zeit wächst.“
Tipp #8 – Sich mit anderen Doulas vergleichen
Ob beim Scrollen auf Instagram oder in Austauschgruppen: Es ist so leicht, das Gefühl zu bekommen, alle anderen seien erfahrener, selbstsicherer oder „qualifizierter“.Als ich Doula in meiner Stadt wurde, gab es nur fünf englischsprachige Doulas – kein Instagram, nur Facebook-Elterngruppen, in denen ich Werbung machte. Ich fühlte mich total fehl am Platz. Sie waren älter, offensichtlich erfahrener – aber was mich unterschied: Ich war Mutter und ging meinen eigenen Weg.
Ich habe es auf die „alte Schule“ gemacht – mit Flyern, E-Mails und Netzwerken mit jedem, den ich kannte.
Das eigene Mindset kann schnell zu Selbstzweifeln oder Impostor-Syndrom führen.
Tipp: Denk daran – niemand hat deine Geschichte, deine Stimme oder deine Energie. Du bringst etwas Einmaliges in den Geburtsraum – einfach, weil du du bist. Bleib offen, lerne weiter, und vertraue darauf: Erfahrung kommt mit der Zeit.
Jede Doula fängt irgendwo an – und Fehler gehören zum Weg. Aber du musst nicht jeden Fehler selbst machen. Ich hoffe, diese Tipps helfen dir, dich auf deinem Weg vorbereiteter, sicherer und unterstützt zu fühlen.
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